Ein Europäer mit festen Wurzeln in Baden

Bernhard Friedmann ist 89-jährig gestorben / CDU-Politiker war Präsident des Europäischen Rechnungshofs

 

Von unserem Redaktionsmitglied
Wilfried Lienhard, Acher- und Bühler Bote

Streitbar, wie er im besten Sinne des Wortes war, ist Bernhard Friedmann einer Diskussion nie aus dem Weg gegangen, er hat sie sogar gesucht. „Meine Waffe ist die Qualität meiner Argumente, damit möchte ich überzeugen.“ Das sei immer sein Wahlspruch gewesen, sagte der CDU-Politiker aus Ottersweier einmal rückblickend und beschrieb damit den Kern seines Demokratieverständnisses. Jetzt ist Bernhard Friedmann im Alter von 89 Jahren gestorben.

Von 1976 bis 1990 war Friedmann Mitglied des Deutschen Bundestags, wo er unter anderem Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses war. Am Europäischen Rechnungshof in Luxemburg war er danach das deutsche Mitglied, von 1996 bis 1999 der Präsident des Rechnungshofes. In vielen, auch sehr harten Auseinandersetzungen hat er sich manche Schramme geholt. Das hielt ihn nie davon ab, eine einmal als richtig erkannte Position zu verteidigen, auch gegen scheinbar übermächtige Gegner. Gespräche in seinem Ottersweierer Haus waren oft anregend. Friedmann verstand es, die rationale Analyse des promovierten Wirtschaftswissenschaftlers mit Anekdoten aus seiner langen Politikerkarriere zu verbinden – etwa von einem in der Regierungsrunde tobenden Franz Josef Strauß, dem eine Entscheidung des Rechnungsprüfungsausschusses nicht gefallen habe. Als Kanzler Helmut Kohl Friedmann daraufhin auffordern ließ, die Entscheidung zurückzunehmen, habe er das „mit dem Hinweis, dass ich nicht der Erfüllungsgehilfe des Kanzlers bin, sondern sein Aufsichtsrat“, abgelehnt. „Solche Dinge entscheidet nur das Parlament.“

Sein Verhältnis zu Kohl war schwierig, was auch an den Diskussionen um die Wiedervereinigung lag, die ihn schon früh beschäftigte. Vor dem Studium hatte er eine Inspektorenausbildung bei der Post in Bühl absolviert, nach dem Studium hatte er im Postministerium die politischen Lasten zu eruieren, die der Bundespost aus der deutschen Teilung entstanden. Ab 1985 habe er dafür geworben, mit der Sowjetunion zu verhandeln, die Aufrüstung zu stoppen, sie zu überzeugen, „dass ein wiedervereinigtes Deutschland auch in ihrem Interesse liegen würde“. Lange blieb der Vorsitzende des Bewilligungsausschusses für Verteidigungsausgaben mit dieser Position allein. Sein Buch „Einheit statt Raketen. Thesen zur Wiedervereinigung als Sicherheitskonzept“ von 1987 wurde von Kohl als „blühender Unsinn“ geschmäht. „Doch die Geschichte hat mir recht gegeben“, konstatierte Friedmann. Als er nach der Wiedervereinigung nach Luxemburg ging, schien es, als würde ein unbequemer Geist abgeschoben.

Friedmann war nicht der Mensch, der sich von solchen Stolpersteinen aus dem Tritt bringen lässt. In Luxemburg kämpfte er für einen vernünftigen Umgang mit dem Geld der europäischen Steuerzahler, und weil ihm die deutsche Politik die Ost-Erweiterung der EU zu zaghaft anging, reiste er in fast alle Länder Osteuropas, um mit Staats- und Regierungschefs und in Parlamenten zu sprechen: „Mir war klar, dass die Ost-Erweiterung der EU im Grunde genommen die Fortsetzung der Wiedervereinigung der Deutschen sein musste.“

Dass der überzeugte Europäer seinen Ankerplatz zeitlebens bei der Familie in seinem Heimatort hatte, war für Friedmann nie ein Widerspruch: Europa begann für ihn unten, bei den Menschen. In Ottersweier, dessen Ehrenbürger er war, rief er vor fast 20 Jahren eine Stiftung ins Leben, die seither viele soziale, kirchliche und kulturelle Projekte gefördert und manche erst ermöglicht hat. Seit 2002 in einem ausgefüllten Ruhestand, hielt er als Honorarprofessor in Freiburg Vorlesungen und Seminare über neueste Entwicklungen der Europapolitik und als Ehrenpräsident des Europäischen Wirtschaftssenats immer wieder Vorträge – der Austausch der Argumente war sein Leben.