Die Altsasbachertage 2012 – Erinnerungen und Ausblicke

„Um den Chill Room an der Lender zu finanzieren, kürzen wir einfach das Gehalt der Lehrer und die Altsasbacher sind ja auch noch da“. Die Schüler der Klasse 8e entwickelten beim Präsentations-Training (GFS) die tollsten Ideen und es war kein normaler Schultag, den die Jungsasbacher zum Auftakt des Altsasbachertages im Lenderjahr 2012/13 erlebten. Bei den Achtklässlern sprudelten die Pläne bis hin zu einer originellen Straßenführung mit Brücke, um das Verkehrsproblem rund um die Lender zu lösen. Während die einen sich intensiv mit GFS-Themen  befassten, gaben 54 Ehemalige den künftigen Abiturienten bei einer Studienmesse wertvolle Einblicke in den etwas anderen Alltag von Studium und Beruf, während die Neuntklässler beim „BOGY“-Projekt berufsorientierende Hilfen erhielten. „Danke, dass sie uns am Altsasbachertag an Ihren Lebensentwürfen teilhaben lassen“, meinte Schulleiter Lutz Großmann beim Festakt, nachdem er zahlreiche Gäste der Jubiläumsjahrgänge über den Schulcampus führte und die Neuheiten zwischen Sozialwissenschaftlichem Gymnasium und Sternwarte zu präsentiere. Es sei ihm eine Ehre, mit den Altsasbachern teilhaben zu dürfen an dem „gelebten Generationenvertrag“ zwischen Alt- und Jungsasbachern. Mit dem Kommen belegen die Ehemaligen, dass ihnen die Lender und Sasbach etwas bedeuten“. Er bedankte bei der Vereinigung der Altsasbacher für deren lebendige Verbundenheit und die großzügigen finanziellen Gaben zur Förderung des schulischen Lebens im Sinne von Franz Xaver Lender.

Welche Qualitäten das „Musikgymnasium Lender“ hat und welch hochkarätige Künstler hier zur Schule gingen, belegte die Pianistin Birgit Becher geb. Karch vom Abijahrgang 1987 mit einem fantastischen Konzert. Es war ein musikalischer Hochgenuss, die aus Achern stammende Konzertpianistin und Klavierpädagogin zu erleben, die dem Festakt mit der Fantasie C-Dur op. 17 von Robert Schumann mit virtuosem Spiel eine besondere Not verlieh. Ihr außergewöhnliches Talent präsentierten auch die mehrfachen Bundessieger von Jugend musiziert“ Jan-Niklas Doll (Fagott) und Simon Doll (Oboe), die mit dem Streichorchester unter der Leitung von Ulrich Noss Sätze aus Fagott- und Oboe-Konzerten von Antonio Vivaldi spielten. Die künstlerische Seite der Lender bereicherten Theater- und Bühnenbild-AG unter der Regie von Annette Preuß und Eberhard Schreiber mit einem köstlichen Besuch bei den „deutschen Kleinstädtern“.

Dass es neben der Vereinigung der Altsasbacher noch den Club „FXE“ – „Franz Xavers Erben“ gibt, wird in Kürze von LenderTV in einem Interview mit Holger Westermann vom Abijahrgang 1982  ausgestrahlt. „Ich war etwas lebhaft und meine Eltern meinten, dass das Internat genau das richtige sei“, so der Jubilar, der sehr gerne an seine alte Schule kam und die Diskussion um Ganztagesschulen nicht verstehen kann. „Wir waren 24 Stunden zusammen, sind miteinander herangewachsen und haben uns viel Sozialkompetenz erworben“. Solche und viele andere Erinnerungen wurden bei den 300 Gästen lebendig, die sich zwischen Aula und Pirminbar trafen, in Erinnerungen schwelgten und den „Lendergeist“ pflegten. „Mit 6366 Mitgliedern sind wir kein normaler Verein“, meinte der bei der Mitgliederversammlung (wir berichten noch) im Amt bestätigte Vorsitzende Bernd Siefermann und betonte beim Festakt, mit wie viel „Herzblut“ die Altsasbacher an ihrer Schule hängen und sich vielfältig engagieren. Er bedankte sich bei Geschäftsführer Gerd Sarcher für dessen unermüdliches Engagement in der Verbindung von Alt- und Jungsasbachern, für das gute Miteinander mit den Schulleitern Lutz Großmann und Petra Dollhofer sowie den Lehrern, Eltern und Mitarbeitern.

Roland Septher

 

Dienen: Eine Grundhaltung der Jünger Jesu

Mk 10, 35-45 (29. Sonntag JK-B): 21.10 2012, Gottesdienst am Altsasbachertag

 

Am 29. Juni dieses Jahres wurde  die Geburtskirche in Bethlehem von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Diese Kirche gehört zu den heiligsten Stätten der Christenheit. Der Hauptaltar der im 6. Jahrhundert neu erbauten Basilika befindet sich über einer zwölf Mal zehn Meter großen Grotte.  Dort wird der Geburtsort Jesu verehrt.

Wer das Heilige Land besucht, wird feststellen, dass man sich den heiligen Stätten oft nur nähern kann, wenn man sich klein macht und dem Boden ein Stück näher kommt.  So ist das Hauptportal an der Westfassade der Geburtskirche in Bethlehem ein kleines, enges Tor, das man nur in gebückter Haltung durchschreiten kann. Wer jene Stelle in der Geburtsgrotte, von der die Überlieferung sagt, dass hier Jesus Christus von Maria, der Jungfrau, geboren wurde, berühren möchte, muss in die Knie gehen. Und auch die Grabkammer in der Grabeskirche in Jerusalem kann man nur betreten, wenn man den Kopf und den Oberkörper einzieht.

Was es heißt, sich klein zu machen, erfahren die Pilger im Heiligen Land immer wieder an den unterschiedlichen Orten und kommen mit dieser Körperhaltung mit Jesus Christus und seiner Botschaft zutiefst in Berührung. Sich-klein-machen, demütig werden, Diener sein, sind christliche Grundtugenden, die im heutigen Evangelium thematisiert und im Kontrast zum Herrschen angesprochen werden.

Vergewissern wir uns der Szene, wie sie das Markus-Evangelium beschreibt: Jakobus und Johannes, die beiden Söhne des Zebedäus, die Jesus auf Schritt und Tritt folgen, treten mit einer Bitte an ihren Meister heran. Diese Bitte ist für die anderen Jünger ungeheuerlich, anmaßend und unerhört. Und auch wir, die den Text heute hören, denken vermutlich Ähnliches und fragen uns: Warum müssen sich diese beiden so in den Vordergrund spielen? Jakobus und Johannes bitten Jesus, dass er ihnen die Ehrenplätze in seinem Reich, in der himmlischen Herrlichkeit, gibt. Sie sagen: „Lass in deinem Reich einen von uns rechts und den anderen links neben dir sitzen.“ Ihre Bitte ist so formuliert, dass sie glauben, Jesus könne ihnen diese gar nicht abschlagen. Die Jünger haben wohl noch nicht verstanden, worum es Jesus wirklich geht, was der wahre Kern seiner Botschaft ist.

Aber leuchtet die Frage der beiden Zebedäussöhne nicht vollkommen ein – zumal Jakobus und Johannes neben Petrus in den Evangelien als bevorzugte Mitglieder des Zwölferkreises gelten? Wer von uns möchte nicht ebenfalls gern wissen, was ein bestimmtes Engagement ihm einbringt und welchen persönlichen Gewinn er daraus ziehen kann? Sozialwissenschaftler bestätigen uns, dass diese Frage immer wichtiger wird. Moderne Menschen wägen ihre persönlichen Bedürfnisse immer stärker ab, wenn es um ein gesellschaftliches oder politisches Engagement geht.

Jesus wird gegenüber Jakobus und Johannes nicht ärgerlich wie die übrigen Jünger, aber er nutzt die Gelegenheit zu einer deutlichen Klarstellung: zunächst gegenüber den beiden Zebedäussöhnen, dann gegenüber dem gesamten Kreis der Jünger damals und der Jünger aller Zeiten, zu denen auch wir gehören.

Immer wieder hat Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem keinen Zweifel daran gelassen, was ihn dort erwartet. Er ist sich der angespannten Situation bewusst – und er weicht ihr nicht aus. Er bleibt seiner Sendung treu, bis zur letzten Hingabe am Kreuz. Am Kreuz, dem Jesus entgegengeht, hat sich seine unbedingte Treue seiner Liebe erwiesen: eine Liebe, die bis zum Tod standhält. Und diese Liebe ist bestätigt worden. Jeden Sonntag feiern wir, dass Gott seinen Sohn nicht dem Tod preisgegeben, sondern zu neuem Leben erweckt hat.

Was hier geschieht, stellt alle menschlichen Maßstäbe auf den Kopf: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern um  zu dienen. Er ist gekommen, sein Leben als Lösegeld hinzugeben für viele.“ Im wahrsten Sinn des Wortes: „ver-rückte“ Maßstäbe.

Im heutigen Evangelium erweist sich Jesus allerdings als Realist, dem die Abgründe des menschlichen Herzens keineswegs verborgen sind: „Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen.“

Jesus fragt nicht, ob Jakobus und Johannes möglicherweise ähnliche Absichten hegen. Doch macht er anschließend unmissverständlich deutlich, welche Verpflichtung, welche Maßstäbe für jene gelten sollen, die ihm nachfolgen wollen: „Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, soll der Sklave aller sein.“

Was Jesus vorlebt, stellt auch in der Kirche die Maßstäbe auf den Kopf. Wenn man auf die kirchliche Wirklichkeit schaut, könnte man meinen, an dieser Stelle habe Jesus der Realismus verlassen. Auch in der Kirche stellen wir Machtmissbrauch, Missbrauchsfälle, Machtstrukturen, Rangordnungen, die gefährlich werden können, fest. Wir bleiben als Kirche oft hinter dem hohen Anspruch, den Jesus formuliert, zurück. Jesus wird Realist genug gewesen sein, um zu wissen, dass die Kirche eine Gemeinschaft der Heiligen und der Sünder sein wird. Aber er verkauft seine Botschaft deshalb nicht unter Wert. Wer ihm nachfolgen will, muss bereit sein, sich auf eine Schicksalsgemeinschaft mit ihm einzulassen.

Vor zehn Tagen, am 11. Oktober, hat das von Papst Benedikt angekündigte Jahr des Glaubens begonnen. Anlass ist der 50. Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Für Oktober hat der Papst die Vollversammlung der Bischofssynode einberufen, die sich mit dem Thema befasst: Die Neuevangelisierung zur Weitergabe des Glaubens. In einer Zeit der Glaubenskrise lädt uns Papst Benedikt ein, erneut auf das Wort und Beispiel Jesu zu schauen und damit die Kirche, d. h. uns, von ihm her zu erneuern. Das geht nicht ohne Umdenken und Umkehr. Der Glaube, der in der Liebe, im Dienst am Mitmenschen, wirksam ist, muss zum Maßstab für unser ganzes Denken und Handeln werden. Kirche als Gemeinschaft der an Christus Glaubenden entsteht in dem Maße, in dem sie Gott und den Menschen dient. Das ist die Botschaft des heutigen Evangeliums.

Dankbar denke ich (mit vielen Altsasbachern) an unsere damaligen Lehrer an der Heimschule Lender. Sie waren für uns authentische Zeugen des Glaubens. Für sie war ihr Beruf nicht „Dienst nach Vorschrift“. Sie haben uns Schülern – oft auch in der Freizeit – gedient, ohne Rücksicht auf ihre Karriere. Wir haben gespürt, dass sie für uns da sind.

Die Nachfolge, die Jesus von seinen Jüngern und auch von uns fordert, ist nur in der lebendigen Beziehung zu ihm zu leben. Im Vordergrund steht das Dienen. Unsere Größe kommt zum Ausdruck, wenn wir uns klein machen.

Nach der Fußwaschung beim letzten Abendmahl spricht Jesus die programmatischen Worte, die man als weitere Lebensregel  für die christliche Gemeinde verstehen kann: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ (Joh 13,15). Jesu Weg mitgehen heißt demnach: nicht an Herrschaftspyramiden, sondern an Solidaritätspyramiden bauen, wo der eine den anderen mit trägt.

 

Monsignore Ernst Moser (Abitur 1952), Neuenburg