2021 – Der Jahrgang 1943/52 berichtet

Rückblick und Ausblick

Willi Vögele, Freiburg

Bei unserem Jahrgangstreffen im Mai 2019 in Sasbachwalden waren wir uns einig, künftige Treffen in Verbindung mit den Altsasbachertagen durchzuführen, zumal wir die örtlichen Gegebenheiten kennen.

Unsere Bilanz mit 33 Klassentreffen seit dem Ende unserer Schul- und Internatszeit an der Heimschule Lender bis in die Gegenwart kann sich sehen lassen. Teilgenommen haben auch unsere Ehefrauen, in den Anfängen gelegentlich unsere Kinder.

Wir bilden eine Lebensgemeinschaft der Klassenkameraden und Angehörigen, gewachsen in den Jahrgangstreffen, zunächst in größeren Zeitabständen nach 10 und 5 Jahren, dazu „Interimstreffen“.

Bei unserem Treffen im Juni 2004 in Düsseldorf regte unser Klassenkamerad Erzbischof Dr. Oskar Saier an, die Jahrgangstreffen jährlich durchzuführen, was allseits Zustimmung fand.

 

 

Im vergangenen Jahr konnten wir das 100-jährige Bestehen der Heimschule Lender am 17. Oktober 2020 wegen der Corona-Krise nur aus der Ferne im Livestream – Internet – verfolgen: um 10 Uhr den Gottesdienst in der Heimkirche und um 17 Uhr das Jubiläumskonzert „querbeet“ mit Musik von Altsasbachern dargeboten.

Seit unserem letzten Jahrgangstreffen sind Fritz Schwörer, Bernhard und Maria Metzinger, Gudrun Kautz und Ewald Bleicher in die Ewigkeit abberufen worden.

Unser fortgeschrittenes Lebensalter fordert mit Einschränkungen seinen „Tribut“. Wir erinnern uns indessen an die Schulzeit mit Internat in der Heimschule Lender, danach an unsere Begegnungen bei den Jahrgangstreffen im Badner Land, der Pfalz, dem Saarland oder im Rheinland.

 

 

Es war die Kriegs- und Nachkriegszeit 1943 – 1945, geprägt von großen Gefahren und der Not zu überleben. Der Einfluss des Nationalsozialismus machte der Heimschule Lender schwer zu schaffen. Mit dem Eintritt in die Heimschule wurden Schüler in die damals bestehenden Gliederungen „DJ“ und „HJ“ übernommen.

Schulbücher und Hefte werden für die neu eintretenden Schüler mit Sammelbestellung der Heimschule besorgt. Das Schülerheim ist mit der Schule verbunden und bietet einfache, aber gute Verpflegung, gesunde Betätigung und mannigfache Anregung wie Sport, Wandern, Skiausflüge, Musik, wie aus einem Rundschreiben an die Eltern neu eintretender Schüler vom 7. Juli 1943 hervorgeht, unterzeichnet von Rektor Thoenelt, verantwortlich für den Internatsbetrieb. Des Weiteren ist ausgeführt:

Das Waschen und Ausbessern der Wäsche ist vom Elternhaus zu übernehmen. Für das Schicken haben sich kleine Schließkörbe mit Vorhängeschloss bewährt. Einer geprüften Krankenschwester obliegt die Pflege erkrankter Schüler. Der Hausarzt besucht die Schule regelmäßig. In ernsteren Fällen werden die Schüler in das Krankenhaus Achern verbracht.“ Alexander Kuhn hat das Schreiben aus dem Jahr 1943 bis heute aufbewahrt.

Der II. Weltkrieg war im Gange, die Kampfhandlungen an der Westgrenze rückten näher. Im Herbst 1944 war auch an der Heimschule Lender ein Unterricht nicht mehr möglich.

Nach Kriegsende lag Deutschland in Trümmern. Der Wiederaufbau des Landes im französisch besetzten Südbaden ermöglichte erst Anfang Oktober 1945 den Unterrichtsbeginn mit Internat. Es gab Veränderungen in unserem Jahrgang. Einige Klassenkameraden kehrten nicht mehr zurück, andere kamen dazu und mussten „Latein“ nachholen, wir waren die Klasse Quarta G, darunter vier externe Schüler aus Achern, Lauf und Ottersweier.

Das große Problem war die Lebensmittelversorgung bzw. -beschaffung. Aus dem Umland wurden Kartoffeln, Rüben, Haferflocken und Gemüse „herangefahren“. Schüler sammelten Bucheckern, Ähren und Beeren. Die Eltern haben mit Lebensmitteln beigetragen, um die Ernährung zu sichern. Die Portionen für die Schüler sind anfangs, besonders im ersten Winter 1945/46, klein ausgefallen.

Hubert Mangold als interner und der Verfasser als externer Schüler berichteten 2007 im Lenderfilm „Dokumentarfilm Franz Xaver Lender und die Geschichte der Heimschule Lender“ über die Erschwernisse der unmittelbaren Nachkriegszeit der Jahre 1945/46.

Der Unterricht gestaltete sich anfänglich ohne geeignete Lehr- und Lernmittel schwierig. Dennoch erwachte Leben – auch in der Freizeit. Gerne kickten wir auf dem nahen Sportplatz, heute Parkplatz der Heimschule Lender. Herausfordernd waren für unsere Klasse Fußballspiele gegen die Lehrermannschaft, angetreten mit Georg Wetzel, Alfred Schmieder, Paul Alber, Otto Wild, Hans Wagner, Emil Wunsch.

 

 

Das Angebot an Musik, Gesang und Erlernen von Instrumenten wurde zu jederzeit gerne angenommen. Im Chor und Schülerorchester sich einzubringen war eine Ehre. Wer erinnert sich nicht an das „Halleluja“ von Georg Friedrich Händel, Dirigent Rektor Erich Riehle, später auch beim Festakt der Altsasbachertage. Über Jahrzehnte zeichnet sich die Heimschule Lender mit Chor und Orchestern unter neuer bewährter Leitung bis in die Gegenwart mit bundesweiter Anerkennung aus.

Die Freiheit der Lehre war für uns immer erkennbar, Vorgaben im Lehrstoff ja, aber keine Direktiven aus weltanschaulicher Sicht. Die vom christlichen Glauben geprägte Gemeinschaft, die Vorbildfunktion der Verantwortlichen mit gelebten Primär-Tugenden, so beobachten wir heute, sind vielfach nicht mehr „Groß“ geschrieben. Das Rad der Zeit entwickelt sich weiter über uns als die ältere Generation hinweg.

Die Lehrkräfte haben uns den Grundstein fürs Leben gelegt. Wir haben sie mit Namen und Unterrichtsfach dank einer Zusammenstellung von Karl Hermann Wehrle noch parat. Eine Postkarte „19 ABITUR 52“ mit feinster Feder von Waldemar Hirt skizziert, zeigt uns in einem Boot die Heimschule Lender verlassend, zuwinkend unseren Lehrern am Ufer.

 

 

Es war kein Abschied für immer. Über Jahrzehnte bis heute erinnern wir uns bei Jahrgangstreffen anlässlich der Altsasbachertage, bei Interimstreffen, Begegnungen aus besonderem Anlass, mit Rundschreiben als „Informationsbörse“, persönlichen Bekundungen jeder Art an die Schul- und Internatszeit der Heimschule Lender in Sasbach.